Kaffee und seine Herkunft,  Kaffeegeschichte(n)

Kaffeeernte: Handarbeit ist nicht immer beste Wahl

Zusammenfassung: Während die Handernte von Kaffeekirschen – insbesondere das selektive Picking – höchste Qualität ermöglicht, gewinnen moderne Sortiermaschinen zunehmend an Bedeutung. Besonders in Regionen mit Arbeitskräftemangel, wie Zentral- und Südamerika, verbessern sie die Effizienz und Präzision beim Aussortieren von Kirschen unterschiedlicher Reifegrade. Optische Verfahren, die auf Licht, Kameras und maschinellem Lernen basieren, gewährleisten, dass nur die besten, reifen Kaffeekirschen zu hochwertigem Kaffee verarbeitet werden.

Unter den verschiedenen Ernteverfahren ist das Ernten der Kaffeekirschen per Hand das qualitativ hochwertigste. Vielen Kaffeefarmern bleibt allerdings auch keine andere Wahl, weil spezialisierte Erntemaschinen teuer sind und selbst Kooperativen sich gemeinsam keine leisten können.

Die Ernte per Hand: Picking vs. Stripping

Bei der Handernte gibt es zwei Unterarten: das Picking und das Stripping (gelegentlich auch als Strip-Picking bezeichnet). Beim Stripping werden alle Kirschen eines Strauches auf einmal geerntet. Im Prinzip führt der Erntehelfer oder die Erntehelferin dabei die um den Ast geschlossener Hand vom Anfang bis zu seinem Ende und erntet so alle am Strauch hängenden Kirschen ab. Beim Picking hingegen wird jede Kaffeekirsche einzeln gepflückt. Während beim Stripping ähnlich wie beim maschinellen Ernten alle Kirschen eines Strauchs bei einem Erntevorgang geerntet werden, können Picker mehrmals durch die Kaffeeplantage gehen und jeweils nur die wirklich reifen Kaffeekirschen pflücken. Ein Aufwand, der sich im späteren Kaffee durch komplexere Aromen und vor allem durch eine größere Süße bemerkbar macht.

Es gibt zwar keine Untersuchungen darüber, welches der beiden handwerklichen Verfahren häufiger angewendet wird, aber vieles spricht für eine größere Beliebtheit des Stripping. Das Ernten jeder Kaffeekirsche erst dann, wenn sie wirklich reif ist, wird sich nur für jene Kaffeefarmer rentieren, die dadurch entsprechend höhere Preise erzielen können. Je nach Pflanzensorte sowie klimatischen und geologischen Bedingungen wird beim Stripping ein Erntezeitpunkt gewählt, bei dem die meisten Kirschen reif, aber noch nicht überreif sind. Immerhin auf gut 75 %(1) reife Kirschen kommen erfahrene Kaffeefarmer mit diesem Verfahren.

Sortieren in Form von Aussortieren

Kaffeekirschen

Wie beim Ernten mit der Maschine kann das Spektrum der unterschiedlichen Reifestadien sehr breit sein. Außerdem können sich auch unreife oder überreife Kaffeekirschen eingeschlichen haben, sodass es notwendig wird, die Kirschen auch nach der Ernte noch einmal sorgfältig zu sortieren.

Das Sortieren ist in der Praxis allerdings oft eher ein Aussortieren. Über- und unterreife Kaffeekirschen werden noch vor der weiteren Verarbeitung aussortiert. Sie würden sonst negative Auswirkungen auf den Geschmack des restlichen Kaffees haben.

Auf vielen Farmen wird der zur Weiterverarbeitung vorgesehene Kaffee allerdings noch einmal unterteilt, in Kirschen mit einem perfekten Reifegrad und dem Rest. Danach kommen die Kaffeekirschen in die sogenannte „trockene“ Aufbereitung, bei der am Ende Fruchtfleisch und Kaffeebohne getrennt werden.

Beim aufwändigeren „nassen“ Verfahren werden die Kirschen im Wasser fermentiert. Bevor der Fermentierungsprozess einsetzt, sortieren Arbeiterinnen und Arbeiter die Kirschen im Wasser allerdings noch einmal nach Reifegraden, wobei sie oft viel feiner einteilen als nur zwischen perfekt reif und weniger perfekt reif.(2)

Handarbeit kann zu menschlichen Fehlern führen

Anders als bei der Ernte ist 100% Handarbeit in diesem Fall aber nicht immer mit dem qualitativ besten Ergebnis verbunden. Während sich überreife Kirschen im Wasser relativ leicht aussortieren lassen, da sie oben schwimmen, erfordert das Sortieren feinerer Reifegrade Erfahrung und hat oft eine entsprechende Fehlerquote. Außerdem wird das Stripping und maschinelle Ernten oft eingesetzt, gerade weil es weniger personalintensiv ist. Beim Aussortieren per Hand hingegen wird entsprechend viel Personal benötigt. Und während in Kaffeeregionen in Afrika und Südostasien Arbeiter noch leicht zu finden sind, werden sie in manchen Regionen Zentral- und Südamerikas schon knapp. Je weiter entwickelt ein Land ist, desto bessere Beschäftigungsmöglichkeiten bietet es seinen Bewohnern, und saisonale Hilfsarbeit wird entsprechend unattraktiv.

Sortiermaschinen auf dem Vormarsch

Sortiermaschinen sind deshalb vor allem in Zentral- und Südamerika auf dem Vormarsch. Einige Maschinen übernehmen auch das Entfernen des Fruchtfleisches mit, andere konzentrieren sich auf das Sortieren der Kirschen und das Entfernen von verbliebenen Fremdkörpern wie kleine Ästchen oder Steinchen.

Dabei kommen in der Regel optische Verfahren zum Einsatz, die bereits heute sehr effizient sind. „Optische Sortierer können zwischen 6.000 und 10.000 kg Kaffeekirschen pro Stunde verarbeiten, was deutlich höher ist als das Volumen, das Pflücker von Hand sortieren können“, erklärt Carlos Henrique Palini, kaufmännischer Direktor bei Palinialves, einem brasilianischen Hersteller von Sortiermaschinen.(3) Die eingesetzten Sensoren sortieren die Kaffeekirschen mit Hilfe von Licht, Kameras und Software, die oft auf maschinellem Lernen basiert, zuverlässig nach unterschiedlichen Reifegraden.(4)

So wird am Ende sichergestellt, dass der beste Kaffee nur aus Kaffeebohnen hergestellt wird, die aus roten, reifen Kaffeekirschen gewonnen wurden, während andere Reifegrade entweder gar nicht oder für qualitativ weniger hochwertigen Kaffee weiterverarbeitet werden.

Quellen:
1. https://perfectdailygrind.com/2023/11/coffee-cherry-sorting/
2. https://www.mahlkoenig.com/de/blogs/news/how-is-coffee-produced
3. https://perfectdailygrind.com/2023/11/coffee-cherry-sorting/
4. https://www.buhlergroup.com/global/de/process-technologies/Optical-Sorting/Coffee-sorting.html

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Clarissa Schneider, geboren und aufgewachsen in Coburg, zog für ihr Studium nach Würzburg, wo sie ihre Leidenschaft für Espresso entdeckte. Während ihres Studiums arbeitete sie als Kellnerin in einem gemütlichen Café, wo sie ihre ersten Erfahrungen mit der Zubereitung und dem Genuss von Espresso machte. Diese Zeit prägte sie nachhaltig und weckte in ihr eine tiefe Begeisterung für die Kunst der Kaffeezubereitung. Seitdem hat Clarissa ihre Liebe zu Espresso nicht mehr losgelassen. Als leidenschaftliche Kaffeeliebhaberin und Autorin teilt sie ihr umfangreiches Wissen und ihre Erfahrungen gerne mit anderen. Sie schreibt an dieser Stelle die feinen Nuancen des Espresso-Genusses, die neuesten Trends der Kaffeeszene und die faszinierende Welt des Kaffeeanbaus. Bei KaffeeTechnik Seubert ist Clarissa außerdem in der Kundenbetreuung tätig und managet zusätzlich unseren Marese Club.

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