Warum enthalten viele Espressoröstungen Robustabohnen?
Zusammenfassung: Italiens Kaffeekultur offenbart sich in der regionalen Vorliebe für Robusta: Im Süden dominieren Röstungen mit hohem Robustaanteil, bekannt für ihren intensiven Geschmack und die dichte Crema. Trotz einiger Vorbehalte gegenüber Robusta, erkennen immer mehr Kaffeeliebhaber die Qualitäten dieser oft unterschätzten Bohne an. Die Entwicklung in Vietnam zeigt, dass Robusta weit mehr als nur Füllmaterial sein kann. Die Verbesserung des Images und die zunehmende Präsenz in Espressoröstungen verdeutlichen die dynamische Evolution der Kaffeewelt, in der Robusta eine zentrale Rolle für die Zukunft des Kaffees spielt – besonders unter dem Druck des Klimawandels.
Wer als Kaffeekenner eine Rundreise durch Italien macht, muss nur in einer lokalen Kaffeebar halt machen, um zu merken, wie weit weiter südlich er gekommen ist. Dazu genügt es einen Espresso zu trinken, dessen Bohnen aus einer regionalen Rösterei stammen. Denn zu den Dingen die Nord- und Süditalienern unterscheiden, gehört ihre Begeisterung für Robustakaffee. Je weiter südlich der Reisende kommt, desto größer wird diese Begeisterung und desto höher ist auch der Robustaanteil in den Espressoröstungen. Ein 80/20 Arabica-Robusta-Verhältnis – für viele der klassische Espresso – ist eine typische Röstung für eine Mailänder Kaffeebar, weiter im Süden, in Neapel oder Sizilien hat sich dieses Verhältnis aber bereits umgekehrt.

Auch wenn Ausnahmen die Regel bestätigen, zu einer typischen Espressoröstung gehört für die meisten Kaffeekenner einfach ein gewisser Anteil an Robustakaffee. Er zeichnet sich auch verantwortlich für einige typische Eigenschaften, die wir gerade dem Espresso zuschreiben.
Robusta begünstigt typische Eigenschaften von Espresso
Eine dieser typischen Espressoeigenschaften ist ein hoher Koffeingehalt. Und genau davon hat die durchschnittliche Robustakaffeebohne meist weit mehr als die Arabicaverwandtschaft. Allerdings sollte auch gesagt sein, dass sich der durchschnittliche Koffeingehalt einer Tasse Espresso und einer Tasse Kaffee gar nicht so stark unterscheiden. Der Espresso liefert den Koffeinkick nur in einer konzentrierten Form.
Eine Frage der Crema
Robustabohnen liefern dem Espresso allerdings nicht nur Koffein, sie fördern auch die Bildung einer stabilen, formschönen Crema. Ein Grund dafür ist auch das Koffein, das je häufiger vorhanden seinen Teil zur Schaumbildung beiträgt. Neben mehr Koffein haben die meisten Robustakaffeebohnen auch einen höheren Fett- und Ölgehalt. Beide Substanzen tragen wesentlich zur Bildung der Crema bei, da sie während des Brühvorgangs emulgiert werden und so eine dichte, stabile Crema bilden. Zusätzlich sorgt die dichtere Zellstruktur der Sorte dafür, dass während des Brühprozesses mehr Öle und Fette extrahiert werden, was zu einer noch dichteren Crema führt.
Die Vor- und Nachteile von Robusta-Kaffeebohne auf einen Blick:
Vorteile | Nachteile |
---|---|
Höherer Koffeingehalt, der eine stärkere Wirkung erzielt | Geschmack kann als bitter oder harsch empfundenen werden |
Produziert eine dickere, reichhaltigere Crema auf dem Espresso | Weniger aromatische Komplexität im Vergleich zu Arabica-Bohnen |
Kosteneffizienter durch geringere Produktionskosten und höhere Erträge | Qualitätsschwankungen können bei minderwertigen Bohnen ein Problem darstellen |
Stärkerer, intensiver Geschmack, der die Geschmackstiefe des Espressos erhöht | Nicht jeder Kaffeetrinker schätzt den charakteristischen Geschmack von Robusta |
Höhere Resistenz gegen Schädlinge und Krankheiten und kommt besser mit Folgen des Klimawandels zurecht | Hat mitunter ein Imageproblem, weil Robusta lange nur als Füllmaterial für Kaffeemischungen verwendet wurde |
Reine Robustaröstungen sind selten
Robusta bringt allgemein einen intensiveren Geschmack in die Tasse, Laien würden nach einem Testschluck sagen, der Kaffee sei „stark“. Meist schwingt im Geschmacksprofil eine Spur Bitterkeit mit, die nicht jedermanns Geschmack ist. Zudem fehlt den meisten Robustabohnen die aromatische Komplexität von Arabicakaffee. Das erinnert an ein Vorurteil, mit dem der Robusta noch heute zu kämpfen hat. Während Supermarktkaffee mit dem Aufdruck „100% Arabicakaffee“ beworben wird, finden sich 100%ige Robustaröstung meist nur bei kleinen Röstereien für Spezialitätenkaffee. Über Jahrzehnte hinweg war Robusta oft nur kostengünstiges Füllmaterial für Kaffeeröstungen. Er war ein Massenprodukt, das geschmacklich für sich alleingenommen einen wenig ansprechenden Kaffee zustande brachte. Ältere ehemalige DDR-Bürger erinnern sich vielleicht noch mit Schrecken an die Zeit, als Kaffee im Osten zwar kein Kaffeeersatz war, dafür aber aus vietnamesischem Robusta bestand. In Anlehnung an den aus Westpaketen bekannten Kaffee „Jacobs Krönung“ nannte man diesen spöttisch „Erichs Krönung“.
Klare Qualitätssteigerung
Als der sozialistische Bruderstaat DDR noch existierte, steckte der Kaffeeanbau in Vietnam allerdings noch in den Kinderschuhen. Heute ist das Land in Südostasien Nummer 2 der weltweit größten Kaffeeexporteure und Nummer 1, wenn es um Robusta geht. Einiges davon wird zwar immer noch als Füllmaterial verwendet, aber der Anteil hochwertiger Kaffeebohnen nimmt stetig zu. Und auch in den meisten Espressoröstungen ist der Robustaanteil längst zu einem Mittel der Abrundung von Geschmack und Aroma der gesamten Röstung geworden.
Die Folgen des Klimawandels
Weltweit wird inzwischen in der Kaffeebranche an dieser Imageverbesserung gearbeitet. Denn obwohl die Dominanz von Arabica mit 60% in den letzten zehn Jahren stabil erscheint1, ist die Kaffeesorte dennoch auf dem Rückzug. Vor allem der Klimawandel macht der anspruchsvollen Hochlandkaffeesorte zu schaffen. Die Prognosen sagen zwar für den gesamten Kaffeeanbau schrumpfende Anbaugebiete voraus, aber die Anbaumöglichkeiten für Arabica schrumpfen ungleich schneller. So wird Robusta den verschwindenden Arabicaanteil zwar nicht 100%ig ausgleichen können, seine Bedeutung allerdings wird klar zunehmen.
Quellen:
